"Der Konflikt spielt sich ab vor dem Hintergrund einer technologischen Revolution: Erdgas wird bald Erdöl und Kohle als wichtigsten Energierohstoff überflügeln. Das Gas wird immer öfter in Kühlanlagen verflüssigt und als „Liquified Natural Gas“, kurz LNG, in Tankschiffen über die Weltmeere transportiert. Gab es bislang nur einen Weltmarkt für Rohöl, entsteht dank der LNG-Tanker nun auch ein globaler Markt für Erdgas.
Das Wachstum ist rasant: „Der Handel mit LNG-Gas entwickelt sich siebenmal schneller als der Handel mit Pipeline-Gas“, sagt der Chefvolkswirt des Energiekonzerns BP, Spencer Dale.
Die USA spielen dabei ganz vorne mit: Dank der sogenannten Fracking-Technologie sind sie zum weltweit größten Produzenten von Schiefergas aufgestiegen. Energieriesen stampfen in Louisiana und im texanischen Corpus Christi gewaltige Anlagen zum Verflüssigen des Brennstoffs aus dem Boden.
Die LNG-Revolution ändert die Spielregeln von Grund auf. Länder oder Regionen, die früher durch Pipelines direkt an bestimmte Lieferanten gebunden waren, können nun als Besitzer eines LNG-Terminals frei wählen, bei wem sie ihren Brennstoff einkaufen.
Polen und Litauen etwa haben sich durch den Bau entsprechender Hafenanlagen bereits von russischen Erdgaslieferungen unabhängiger gemacht – und damit auch politische Freiräume gewonnen. Andere Flüssiggas-Terminals wie in Rotterdam, im französischen Dünkirchen, in Spanien, Portugal und Großbritannien existieren bereits, sind aber noch nicht voll ausgelastet.
Angesichts der neuen Einkaufsmöglichkeiten für Energie sehen sich auch Deutschland und die Europäische Union insgesamt vor die Wahl gestellt: Will man Teil des neuen, per Tankerflotte versorgten Weltmarktes für Flüssiggas werden? Oder bindet man sich durch den Bau der neuen Pipeline weiter langfristig vor allem an Russland – ausgerechnet in einer Zeit, in der Moskau eine aggressive Außenpolitik betreibt?"
https://www.welt.de/wirtschaft/article161812712/Gute-Beziehungen-Beim-Gas-wird-es-sich-zeigen.html
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