Wednesday, August 21, 2019

Deutsch-französische Misshelligkeiten um Nord Stream 2

Während die Fertigstellung der umstrittenen Unterwasserpipeline "Nordstream 2" nunmehr Kurs auf die Zielgerade nimmt, werden von Deutschlands europäischen Nachbarn Einwände angemeldet.

Die baltischen Staaten, aber auch Polen und vor allem die Ukraine haben das Projekt, mit dem Deutschland jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas – zusätzlich zu den bisher 51 Milliarden Kubikmetern, die durch "Nordstream 1" fließen – direkt aus Russland importieren will, mit großer Skepsis betrachtet, da es ihre Energie- und Sicherheitsinteressen beeinträchtigt.

Der Energieexperte Wojciech Jakóbik skizzierte gegenüber dem Verfasser die lagerübergreifend vorherrschende Position in Polen, indem er "Nordstream 2" als politische und ökonomische Bedrohung. In politischer Hinsicht führt sie zur Spaltung Europas und könnte zudem ein Erpressungspotential gegenüber der Ukraine bedeuten. Ökonomisch führt die Pipeline dazu, dass die Nachfrage aus einer dominierenden Quelle befriedigt wird, was den Markt verzerrt und ihm schadet.

 

Anfang Februar hat nun Frankreich Vorbehalte gegen das Projekt geltend gemacht. Die Regierung in Paris befürchte „strategische Probleme“.

Die Bedenken richten sich zum einen allgemein auf die Gefährdung der europäischen Sicherheitsarchitektur, weil sich Deutschland durch den Bau der Pipeline beim Bezug von Erdgas fast vollständig in russische Abhängigkeit begibt. Dies vor dem Hintergrund, dass aktuell nach dem Ausstieg aus der Kernkraft in naher Zukunft auch der Kohleausstieg beschlossen werden soll, so dass Gas neben den sog. „erneuerbaren Energien“ die Hauptenergiequelle in Deutschland werden wird.


Die Franzosen mahnten jedoch auch die Einhaltung der Vorgaben der EU-Gas-Richtlinie an, nach denen Gas-Lieferant und Pipelinebetreiber nicht identisch sein dürfen. Dies ist jedoch bei "Nordstream 2" bisher der Fall. Erdgas-Lieferant ist der russische Gasmonopolist Gazprom, eine Aktiengesellschaft, an der der russische Staat mehr als 50 % der Anteile hält. Pipelinebetreiber ist die in der Schweiz ansässige Nord Stream 2 AG, deren Vorsitzender des Verwaltungsrats Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder ist, bestand zu Beginn des Projekts aus ursprünglich sechs Investoren: neben Gazprom das französische Energie-Unternehmen Engie, die BASF-Tochtergesellschaft Wintershall, die E.ON-Abspaltung Uniper, der österreichische Energie-Konzern OMV und die niederländische Royal Dutch Shell. Gazprom hielt 50 % der Anteile, die anderen Investoren jeweils 10 %.

Zwischenzeitlich ist jedoch die Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG vollständig in den Händen des russischen Gas-Riesen Gazprom. Die Tochtergesellschaft „Gazprom Gerosgaz Holdings“mit Sitz in den Niederlanden hält alle Anteile an der Projektgesellschaft.

Nach zweitägigen Verhandlungen haben Frankreich und Deutschland einen Kompromiss erzielt, über dessen Details bisher nichts Konkretes bekannt ist.

Auch außereuropäische Kenner des Energiemarkts sehen das Projekt kritisch. Die amerikanische Energieexpertin Agnia Grigas sagte dem Verfasser, dass die Logik hinter Nordstream 2 ein jahrzehntealtes Denken repräsentiere, flankiert von mächtigen Lobbyinteressen der russischen Energiestaatskonzerne.

Angesichts der großen Veränderungen auf den globalen Energiemärkten und den geopolitischen Konstellationen folgten die Entscheidungen Deutschlands keiner konsequenten Logik. Es sei fahrlässig, dass Deutschland, als einem der größten Gasimporteure, noch kein LNG-Terminal habe und nicht nach Bezugsquellen für Gas auf dem globalen Markt suche und sich stattdessen durch den Bau langfristiger Pipelinearchitektur für Jahrzehnte an Russland binde.

Gewiss bleibe Pipelinegas aus Russland eine bedeutende Quelle für Europa, aber weder ist es die einzige Quelle, noch sollte sie es sein.

Möglicherweise ist das geplante LNG-Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel zum Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) ein erster Anfang zur Diversifizierung der Bezugsquellen.

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